Montag, Mai 26, 2008

Ella douze points

Für viele Bewohner dieses Planeten war diese Mai-Woche eine ganz normale Woche - für die dynamischste Kleinfamilie Hamburgs war es die Grand-Prix-Woche. Seltsame Musik erklang schon am Montag aus dem CD-Player; Ellas Mama und Ellas Papa übten die Choreographie von "Kisses for me", was Ella nur kurz irritierend, bald dann nämlich schon spaßig fand und später auch selbst zu diversen Songs tanzen wollte. Und ganz besonders beim eben schon erwähnten Kinderlied kann Ella ganz toll mit dem Windelhintern hoch und runter wippen, während sie all Kisses savte.

Überhaupt: Ella kann ja mittlerweile auch toll Küsschen schenken. Als sie zum Beispiel mit Papa Bus fuhr und mit plötzlicher Arm-Bewegung ihrem Vater irgendetwas Spannendes (vermutlich ein Taxi) zeigen wollte, da drückte sie Papas Kontaklinse hinter dessen Augenlid.

Spontan halbseitig erblindet war Papa in dieser recht schwer zu bestreitenden Situation mit Ella im Bus gar nicht mehr zum Lachen zumute. Dies bemerkte Ella, die ihren hoffnungslos im Auge wühlenden Vater unter lautem "Ei"-Gerufe streichelte und im Anschluss daran küsste.

Keine Kontaklinse im linken Auge (6 Dioptrin), Ella auf dem Schoß, den leeren Kinderwagen mit einer Hand fixiert, dann kurz vorm Aussteigen Ella in den Wagen gesetzt...
"Du bleibst kurz im Wagen sitzen, ne?" Heftiges Nicken.
Bus hält, Papa hebt Wagen nach draußen. Wagen leer. Ella sitzt im Bus - auf dem Boden.
Ella gegriffen. Geflucht. Kontaktlinse hoffentlich noch irgendwo hinterm Lid. Ella aus dem Bus befördert und ausgeschimpft.
Da half dann auch kein "Ei" mehr. Da war Papa echt mal richtig sauer.

Ansonsten haben sich Ella und Papa toll verstanden. Die Woche hatte sogar Momente im Gepäck, in denen Ella lieber zum Papa als zur Mama wollte, was Papa total gerecht empfand.

Zum Grand-Prix war Ellas Bude dann so richtig voll: Viel Essen, viele Fähnchen, vier Gäste aus Berlin, von denen einer noch kein Jahr auf dem Buckel hat und von Ella einigermaßen spannend gefunden wurde. Ein anderer alter Freund unserer Möhre hat dagegen das Rennen um die Gunst unserer Kleinen gemacht: Ben.

Vielleicht liegt es an seinem recht einfach zu artikulierenden Namen, aber "Bennnn" war am Wochenende Ellas totaler Liebling.
"Wer soll dich ins Bett bringen? Mama oder Papa?" - Die Frage, auf die Ella sonst immer mit Schmerzensschreien und Tränen reagiert, wurde diesmal mit einem recht überraschenden "Bennn" beantwortet.

Mittlerweile sind die Spuren des Grand-Prixs verschwunden. Ella sah sich wieder mit dem Alltag konfrontiert und reagierte auf selben folgendermaßen:
Sie riss sich die Klamotten samt Windeln vom Leib, rannte in die Küche und nahm splitternackt ihr Abendbrot zu sich.
Etwa zwei Stunden später windete sie sich derart beim Wickeln, dass beide Eltern mit aller Kraft das Kind zu bändigen versuchten, dennoch der Wickeltisch unter dem tobenden Kind in sich zusammenbrach, Ella in insgesamt zwei Zimmern gewickelt werden musste, von denen das zweite (das Wohnzimmer) während des Wickelns eine recht massive Umstellung des Mobilars erfuhr, damit Ella nicht gegen Schränke oder Tische krachte. So schlimm fand sie das Wickeln.

Sonntag, Mai 18, 2008

Süß schwierig

Eine Woche mit derart vielen Höhepunkten muss man als 90cm großer Mensch erstmal verarbeiten.

Ella hatte ihre Schwierigkeiten und zeigte sich daher vor allem am Montag und Dienstag dieser Woche von ihrer schwierigen Seite:

Ella - aufgepeitscht von vergangenen Bauernhofbesuchen und neuerlichen Hafengeburtagsfesten mit Hubschraubern, Flugzeugen, Heißluftballons und natürlich Schiffen - hatte plötzlich den Standpunkt, alles ganz alleine hinkriegen zu müssen.

Vielleicht lag es auch daran, dass wir zuvor mit Ella besprochen haben, dass sie ja nun kein Baby, sondern ein Kind, ein großes Kind sei. Ellas Schlafanzug mit integriertem Fuß war dabei das Symbol des Babyhaften.
Ella wollte diesen Schlafanzug nicht mehr tragen, wechselte daraufhin auf einen schicken Zweiteiler-Schlafanzug. "Dieser hier ist ja auch für Babys", sprach Mama. Und seitdem hört man folgenden Dialog in unseren Wänden recht häufig:
"Ella, bist du ein Baby?"
"Nee", (zunächst rannte Ella an dieser Stelle immer zum abgelegten Baby-Schlafanzug und schüttelte dort angekommen heftig den Kopf)
"Chkiii", fügt Ella dann hinzu, was soviel heißt wie "Kind".
"Aha", tun Ellas Eltern dann gespannt, "bist du ein kleines oder ein großes Kind?".
"ooooch", sagt Ella dann und hebt ihre Hand auf politisch streitbare Art um zu verdeutlichen, wohin unsere kleine Möhre nach knapp 2 Jahren schon gewachsen ist.

Ach ja, wir wollten ja berichten, dass Ella Anfang der Woche schwierig war. Wie gesagt, man ist ja nun kein Baby mehr und zieht sich daher Socken, Schuhe, die Hose, die Jacke - eigentlich alles - selber an. Will eine elterliche Hand helfen, wird diese mindestens weggeschlagen, eventuell begleitet von einem Wutausbruch, der in Tränen und Krümmungen auf dem Parkett oder Bürgersteig endet.

Diese Phase, in der Ella alles selber machen wollte, aber das meiste eben doch noch nicht konnte, war kein Zuckerschlecken. Komischerweise war Mittwoch auch schon wieder alles nicht mehr so schlimm. Ella lässt sich seitdem wieder helfen. Wahrscheinlich hat sie erkannt, dass Schuhe Anziehen bei Ellas anatomischen und motorischen Voraussetzungen etwa drei oder vier Stunden dauern würde. Und darauf hat Ella nun auch keinen Bock.

Ella - fast das einzige Mädel in einer sonst sehr maskulinen Kitagruppe - hat das Auto endgültig für sich entdeckt. Neben gewöhnlichen Autos sind drei Spezialautos hervorzuheben, die heftige Reaktionen hervorrufen:
1) Bagger oder alles, was an Umfang deutlich über einen Pkw hinausgeht. Findet Ella super. Man staunt und wird still, wenn ein solches Gefährt durch Altona braust.
2) Taxis. Ella entdeckt jedes Taxi. Jedes. Stets rastet sie aus, wenn sie eines erspäht, dann schreit sie erst "Taxci" und dann "Mama", weil Mama vor etwa 14 Tagen mal aus einem Taxi stieg und dabei von ihrer Tochter beobachtet wurde. "Mama fährt Taxi. Und was fährt Papa?" "Bus", antwortet Ella und stellt die unterschiedlichen Lebenstile ihrer Eltern damit unmissverständlich klar.
3) Enten, also der gute alte Citroen 2CV. Ella hat erkannt, dass diese Autos komplett komisch aussehen und steht nun immer vor den drei Enten, die in Altona zu sehen sind, zeigt mit dem Finger auf das Gefährt und lacht sich schlapp. "Enze", sagt Ella, wenn sie wieder genug Luft hat und kichert weiter.

Die zu Beginn der Woche noch so schwierige Möhre wurde zum Ende hin immer lieber. Ellas Eltern glauben manchmal, dass es kein zweites Kind auf dieser von Egoismus geprägten Welt geben kann, das so lieb ist.

Beispiel: Am Samstagabend hat die dynamische Kleinfamilie Besuch von Jan und Kitti. Chips stehen auf dem Tisch. Ella greift danach, wird aber immer von ihren Eltern daran gehindert, Aufkeimender Frust. Irgendwann schafft es Ella aber, an die fettigen Kartoffelplättchen heranzukommen und... sie ihren Eltern zu reichen. Ella will, dass immer alle essen oder trinken. Hat Papa aufgegessen, heißt es "Mehr Papa". Und die Chips wollte sie halt auch gar nicht selber essen. Die wollte sie doch nur Mama und Papa schenken.

Ist sie nicht süß schwierig?

Sonntag, Mai 11, 2008

Als die Wohnung nicht brannte

Am heutigen Tatort-freien Sonntag möchten wir ein bisschen kriminalistisch beginnen. Es gibt ja da grundsätzlich zwei Methoden der Darstellung: Entweder man beginnt mit der Tat oder mit den Ermittlungen, die dann den Tathergang rekonstruieren.

Wir beginnen mit letzterer Version - den Ermittlungen. Doch Vorsicht. Die Komissarin ermittelt blitzschnell, der Täter ist flugs überführt:

Ella und ihre Mama betreten am Mittwochabend gegen 22:30 die Wohnung. Vorangegangen war ein lauschiger Grillabend mit Papas Kollegen. Papa sitzt da immer noch, als Mama die Tür aufmacht und ihre Nase sofort meldet: Hier stimmt etwas nicht!
In der Küche dann fand Mama die Post des Tages auf dem Herd liegend - kokelnd. Glücklicherweise handelte es sich um recht massive DinA4-Post und nicht um einen kleinen Flatterbrief. Der wäre nämlich wirklich in Flammen aufgegangen.

Schnell brachte Ellas Mama alles in Ordnung, drehte sich zu Ella um und begann zu ermitteln: Indiz 1: Der Herd war die ganze Zeit an. Indiz 2: Die Herdknöpfe befinden sich in Kleinkindhöhe. Indiz 3: Ella findet den Herd und seine Knöpfe spannend.
Ohne die Ermittlungen an dieser Stelle aufzulösen, switchen wir nun zur ersten Version der Darstellung - die Tat:

Ella, Mama und Papa wollen sich gegen 17:00 zum Kollegiumsgrillen aufmachen. Alle sind schon fertig, da flitzt Ella noch mal eben zurück in die Küche, dreht die Herdplatte an und dann erst verlässt die dynamische Kleinfamilie die später glücklicherweise nicht brennende Wohnung.
Inwieweit Ella am späten Abend oder am nächsten Morgen einsichtig oder gar reumütig war, vermag eventuell das Foto auszusagen. Eventuell.

"Jedes Kind", sprach Ellas Mama mit erhobenen Finger, "entscheidet sich irgendwann für einen, für den Lieblingsschnuller". Und dieses Schnuller-Casting ist bei Ella nun nach 22 hart umkämpften Monaten zu Ende: Der Sieger heißt "Der weiße St.Pauli-Schnuller" - Herzlichen Glückwunsch.

Kaum noch wird ein Schnulli akzeptiert, welcher nicht "eiß" ist. Entsprechend sieht Ellas einziger "eißer" Schnulli auch aus. Dicke Brocken organischen Materials säumen alle Ritzen und schwer zugänglichen Stellen des Superschnullers. Man möchte meinen, der Casting-Erfolg hat dem St.Pauli-Schnuller überhaupt nicht gut getan. Ganz im Gegenteil.

Interessant ist, dass sich der St.Pauli-Schnuller gegen zwei andere Fußballschnuller durchgesetzt hat, denn Ella schnullert ja auch mal mit dem VfL Bochum oder Schalke 04.
Aber Schnuller ist Schnuller und Fußball ist Fußball, denn Ella hat nun endlich Stellung bezogen zur Frage, zu welchem Verein sie hält. Und das ist nicht der FC St.Pauli.

"Ella - was ist besser: Schalke oder Bochum?", fragen die Eltern link.
"Buchum", sagt das Kind.
"Schalke kann sie nicht sagen", behauptet dann Mama.
"Sag mal 'Schalke'", sagt dann Papa.
"Chalke", sagt dann Ella. Klare Sache, also.

Neben dieser offensichtlichen Liebe zum VfL hat Ella eine Hassliebe zu Dingen entwickelt, die in irgendeiner Form nicht mehr tiptop in Ordnung sind.
Fahrräder, die nicht aufrecht an der Wand lehnen, sondern liegen, machen Ella wahnsinnig. "Aua", schreit sie dann immer und zeigt aufs Rad.
In der Kita befasst sie sich auch vor allem mit kaputten Spielzeug und rennt damit ganze Nachmittage herum und skandiert "Aua".

Man kann sich denken, wie schwierig Ella im Zaume zu halten war, als beim Sonnen an der Elbe neben ihr ein Kinderwagen nicht stand, sondern umgekippt lag.
Immer wieder versuchte Ella den dazu gehörenden Personen klarzumachen, wie sehr der Kinderwagen darunter leidet ("aua") und wie schlimm das alles überhaupt ist.
Gestoppt konnte Ella erst werden, als ihre Eltern ihr die Schuhe auszogen. Von da an traute sie sich nämlich nicht mehr, die Decke zu verlassen, denn das Gras tut an den Füßen unfassbar doll weh.

Sonntag, Mai 04, 2008

Ella auf dem Bauernhof

Monatelang hatte Ella sich mit diversen Bauernhof-Büchern auf ihre große Reise ins Weserbergland vorbereitet.
Zum Schluss war ihr Bauernhofwissen immens. Ella konnte nämlich mit nach oben gezogenen Schultern, leer ausgestreckten Händen und einem Kopfschütteln verdeutlichen, dass mit allem, aber nicht mit einem Bären, auf dem Bauernhof zu rechnen ist.
"Bär, nee" war dementsprechend das Motto, als sich die dynmische Kleinfamilie aufs Land aufmachte, wo mit Ellas Paten in den Mai geschliddert wurde.

Ella brauchte auf Timmermanns Hof eine gewisse Zeit um aufzutauen:
Pferde, in Bilderbüchern immer stark umjubelt, waren größer als vermutet und ließen unsere Tochter erbleichen und zurückweichen. Schweine - so sie das Ferkel-Stadium verlassen haben - sind ebenfalls von unfassbaren Ausmaß und Gestank, sodass das Kleinkind die Stallung nicht so recht betreten wollte.
Glücklicherweise gab es da aber noch die etwas harmlosere Fraktion: Ferkel, Katzen, Hasen und Kaninchen. Und Schafe, so als Übergang von den harmlosen Tierchen zu den reißenden Bestien.

Zunächst einmal war allerdings viel wichtiger, dass sich auf dem Bauernhof mit den Jahren ein ganzer Fuhrpark an Bobby-Cars und anderen fahrbaren Kinderuntersätzen angesammelt hat. Ella wechselte minütlich das Fahrzeug und guckte grimmig, wenn andere Kinder auf den Plastikteilen über den Hof flitzten. "Mein Auto" und "Mein Trecker" waren recht häufig gehörte Vokabeln aus dem Mund unserer Tochter, die das freundschaftliche Teilen noch wird lernen müssen.

Später wurde Ella neben den Fahrzeugen auch den Tieren gegenüber immer mutiger. Der Hase und das Kaninchen wurden gestreichelt - letzteres sogar im Auge, was das Tier erstaunlich gelassen über sich ergehen ließ. Ein Hase und ein paar Schafe wurden von Ella sogar gefüttert.
Hierzu riss das Kind Löwenzahn aus der Wiese und hielt sie den freudig erregten Tieren in den Stall. So viel Mut hatten wir der Möhre bei Weitem nicht zugetraut.

Noch am Tag zuvor wurde nämlich vom Pfeifen-Gen berichtet, das Ella angeblich vom Vater haben soll, das dieser aber nicht "Pfeifen-Gen", sondern "Erstmal abwarten und immer schön vorsichtig sein - Gen" zu nennen pflegt.

Die Pferde zeigten sich übrigens extrem einfallsreich, Ella zu locken.
Enttäuscht, dass Ella sie a) "Pär" nennt und b) zu groß findet, warfen sie über Nacht ein Pony in den Stall.
Unter allgemeinem "Oh wie süß"-Gejohle riskierte auch Ella dann einen längeren Blick und kann die Frage, wer denn auf dem Bauernhof ein Baby bekommen hat, nun wahrheitsgemäß mit "Pär" (Pferd) beantworten.

Zwischenzeitlich wagte sich Ellas erweiterter Familientross ins Gehölz. Ein Wanderweg zum nächsten Lokal wurde vollkommen unterschätzt, sodass der Kinderwagen und Ella zeitweise getragen werden mussten. Um Ella währenddessen den Wald ein wenig schmackhaft zu machen, wurde ihr erklärt, was ein Tannenzapfen ist.

Ella verstand. Und zeigte alle anderen Tannenzapfen des Waldes "Auch" - "Ja, Ella, noch ein Tannenzapfen." - "Auch" - "Stimmt, noch einer" - "Auch" - "Hui, noch ein Tannenzapfen, richtig Ella. "
Das waren die Dialoge, die den Marsch durch Matsch und Wurzelwerk verkürzten.

Mittlerweile ist Ella wieder in Altona und es wird sich bald zeigen, ob sie die Großstadt wieder ins Herz schließen kann, nachdem sie auf dem Bauernhof ihren Garten Eden gefunden hat. Die Kita darf sich jedenfalls auf die tolle Geschichte vom kleinen Pären im Pferdestall und weitere Ausführungen bezüglich artgerechter Schweinehaltung gefasst machen.