Sonntag, Dezember 14, 2008

Lügengerüste und Randale

Ella hat in den letzten Tagen eine wichtige Sache erlernt: Das Eltern gegeneinander Ausspielen.
Jedes halbwegs gescheite Kind beherrscht diese feine Kunst und so sind wir im Prinzip richtig stolz auf das Lügengestrüpp, das uns Ella hier teilweise mit gekonnter Unschuldsmiene präsentiert:

"Das ist der Daumen. Der [Zeigefinger] schüttelt die Plaumen. Der [Mittelfinger] sammelt sie auf. Der [Ringfinger] bringt sie nach Haus. Und der [Kleiner Finger und altersgerechte Brüll-Pointe] Schlingel isst sie alle alle auf." So geht der Abzählreim, an welchem Ella austestet, wie gut die elterliche Kommunikation funktioniert.

Also. Mama beginnt "Das ist der Daumen", Ella unterbricht "Papa sagt: 'Der schüttelt Pflaumen'". Mama wundert sich mal wieder über Papas Doofheit: "Ehrlich?" - Ella dreist: "Jaaa".
Papa aber ist so doof nicht, dass er einen fünf-aktigen Abzählvers mit dem zweiten Akt und nicht mit dem ersten beginnt. Wie bitteschön soll das denn enden? Dann wäre ja schon der Ringfinger der Schlingel und Publikumsliebling, der die Pflaumen auffrisst. Was bitte macht denn dann der kleine Finger? Die Pflaumen auskotzen? Nein. So weit gehen wir in unserer Kleinkindbespaßung nicht. Ellas Lügengerüst ist heute im Zug nach Lübeck in sich zusammengebrochen. Papa und Mama, damit hat die Lügen-Möhre nicht gerechnet, haben tatsächlich kommuniziert und das tolle Ergebnis lautet: Mama glaubt Papa und nicht Ella. Diese ertrug es professionell mit schnellen Themenwechseln.

Ella fuhr heute also nach Lübeck, wo einer ihrer absoluten Lieblinge, nämlich Freimi, ganz bestimmt auch nur noch zwei Jahre wohnen will. In Lübeck war, wie jedes Mal wenn Ella gastiert, die Hölle los. Mal sind es Orkane, die über die Stadt hinwegfegen, mal ist es die NPD, heute war es Holstein Kiel, das für eine Polizeiwagendichte sorgte, die man von Städten wie New York oder so kennt und eben auch von Lübeck.

Bei Freimi gab es einiges zu erledigen: Grüner Tee musste umgekippt werden. Fazit: Grüner Tee hinterlässt keine Flecken. Ob dies auch für den Teppich gilt, muss man sehen, wenn er wieder trocken ist. Auch Papa wertet die Konfrontation mit dem etwa 75° heißen Getränk in seinem Schoß natürlich als Unfall und nicht als Attentat.
Später stellte Freimi der staunenden Ella ein Spiel vor, das sich herrlich als Saufspiel eignen müsste. Ella fand es auch ohne Jägermeister spitze, dass der Krokodilskopf (oder wie Ella meint "Frosch") hin und wieder auf Freimis oder Mamas oder Papas Händer knallte. Sie selber wollte die kleine Mutprobe nicht machen. Ella ist klug und weiß, wann es besser ist, nein zu sagen. Unsere Möhre ist ein kleiner Angsthase, was Papa und Mama gar nicht so schlecht finden.

In der Gewalt-Metropole Lübeck wurde dann noch der Weihnachtsmarkt besucht. Ella sah sich auf einmal mit gleich zwei ihrer großen Ängste konfrontiert: Mit dem Weihnachtsmann und Karussells. Eine dieser Phobien konnte erfolgreich überwunden werden, denn Ella fuhr zwei verschiedene Karussells und hatte angemessenen Spaß dabei.
Um zu dem einen Karussell zu gelangen, musste allerdinsg Phobie Nr.2 umkurvt werden, denn der Weihnachtsmann stand in unmittelbarer Nähe zum Fahrgeschäft.

"Schnell am blöden Mann vorbei", riet sie Papa, mit dem sie an der Hand zum Karussell rannte. Im Karussell hatte Ella immer nur etwa eine Sekunde Zeit, der Mama und dem Papa zu berichten, dass da hinten ja der dämliche Weihnachtsmann steht. Dann drehte sich die lamentierende Ella aus unserer Hörweite.

Papa investierte einen Euro in Zuckerwatte. Ihm war vorher klar, dass Ella mit der eventuell überflüssigsten Errungenschaft der Wohlstandsgesellschaft wenig anfangen können wird. Er hat es nur fürs Foto getan. Und das ist auch wirklich toll gelungen. Ella hatte bald drauf allerdings Zuckerwatte im Haar. Die Erwachsenen aßen die Klebemasse, die blieb, auf.