Als die Wohnung nicht brannte
Am heutigen Tatort-freien Sonntag möchten wir ein bisschen kriminalistisch beginnen. Es gibt ja da grundsätzlich zwei Methoden der Darstellung: Entweder man beginnt mit der Tat oder mit den Ermittlungen, die dann den Tathergang rekonstruieren.
Wir beginnen mit letzterer Version - den Ermittlungen. Doch Vorsicht. Die Komissarin ermittelt blitzschnell, der Täter ist flugs überführt:
Ella und ihre Mama betreten am Mittwochabend gegen 22:30 die Wohnung. Vorangegangen war ein lauschiger Grillabend mit Papas Kollegen. Papa sitzt da immer noch, als Mama die Tür aufmacht und ihre Nase sofort meldet: Hier stimmt etwas nicht!
In der Küche dann fand Mama die Post des Tages auf dem Herd liegend - kokelnd. Glücklicherweise handelte es sich um recht massive DinA4-Post und nicht um einen kleinen Flatterbrief. Der wäre nämlich wirklich in Flammen aufgegangen.
Schnell brachte Ellas Mama alles in Ordnung, drehte sich zu Ella um und begann zu ermitteln: Indiz 1: Der Herd war die ganze Zeit an. Indiz 2: Die Herdknöpfe befinden sich in Kleinkindhöhe. Indiz 3: Ella findet den Herd und seine Knöpfe spannend.
Ohne die Ermittlungen an dieser Stelle aufzulösen, switchen wir nun zur ersten Version der Darstellung - die Tat:
Ella, Mama und Papa wollen sich gegen 17:00 zum Kollegiumsgrillen aufmachen. Alle sind schon fertig, da flitzt Ella noch mal eben zurück in die Küche, dreht die Herdplatte an und dann erst verlässt die dynamische Kleinfamilie die später glücklicherweise nicht brennende Wohnung.
Inwieweit Ella am späten Abend oder am nächsten Morgen einsichtig oder gar reumütig war, vermag eventuell das Foto auszusagen. Eventuell.
"Jedes Kind", sprach Ellas Mama mit erhobenen Finger, "entscheidet sich irgendwann für einen, für den Lieblingsschnuller". Und dieses Schnuller-Casting ist bei Ella nun nach 22 hart umkämpften Monaten zu Ende: Der Sieger heißt "Der weiße St.Pauli-Schnuller" - Herzlichen Glückwunsch.
Kaum noch wird ein Schnulli akzeptiert, welcher nicht "eiß" ist. Entsprechend sieht Ellas einziger "eißer" Schnulli auch aus. Dicke Brocken organischen Materials säumen alle Ritzen und schwer zugänglichen Stellen des Superschnullers. Man möchte meinen, der Casting-Erfolg hat dem St.Pauli-Schnuller überhaupt nicht gut getan. Ganz im Gegenteil.
Interessant ist, dass sich der St.Pauli-Schnuller gegen zwei andere Fußballschnuller durchgesetzt hat, denn Ella schnullert ja auch mal mit dem VfL Bochum oder Schalke 04.
Aber Schnuller ist Schnuller und Fußball ist Fußball, denn Ella hat nun endlich Stellung bezogen zur Frage, zu welchem Verein sie hält. Und das ist nicht der FC St.Pauli.
"Ella - was ist besser: Schalke oder Bochum?", fragen die Eltern link.
"Buchum", sagt das Kind.
"Schalke kann sie nicht sagen", behauptet dann Mama.
"Sag mal 'Schalke'", sagt dann Papa.
"Chalke", sagt dann Ella. Klare Sache, also.
Neben dieser offensichtlichen Liebe zum VfL hat Ella eine Hassliebe zu Dingen entwickelt, die in irgendeiner Form nicht mehr tiptop in Ordnung sind.
Fahrräder, die nicht aufrecht an der Wand lehnen, sondern liegen, machen Ella wahnsinnig. "Aua", schreit sie dann immer und zeigt aufs Rad.
In der Kita befasst sie sich auch vor allem mit kaputten Spielzeug und rennt damit ganze Nachmittage herum und skandiert "Aua".
Man kann sich denken, wie schwierig Ella im Zaume zu halten war, als beim Sonnen an der Elbe neben ihr ein Kinderwagen nicht stand, sondern umgekippt lag.
Immer wieder versuchte Ella den dazu gehörenden Personen klarzumachen, wie sehr der Kinderwagen darunter leidet ("aua") und wie schlimm das alles überhaupt ist.
Gestoppt konnte Ella erst werden, als ihre Eltern ihr die Schuhe auszogen. Von da an traute sie sich nämlich nicht mehr, die Decke zu verlassen, denn das Gras tut an den Füßen unfassbar doll weh.
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