Sonntag, September 28, 2008

Blick in die Zukunft: "Ich muss doch noch schneiden"

Ella ist in diesen Tagen mal wieder unterwegs wie ein Rockstar - kreuz und quer reist sie jedes Wochenende durch die Republik. Zur Abwechlung führte sie der Weg diesmal nah ihrer Heimat in den Gelsenkirchener Vorort Dortmund.

In Dortmund befindet sich ein Häuschen, in welchem Tom (1) und Johanna (3) leben. Ella war an diesem Wochenende demnach das "Zwischenkind", das im Übrigen auch recht schnell erkannte, dass es sinnvoller ist, sich an den Älteren zu orientieren und den Jüngeren deutlich weniger Aufmerksamkeit zu schenken.

So sah sich Ella ihrem Abbild aus der Zukunft gegenüber. Johanna nämlich ist zumindest vom Hinterkopf her, nicht von der kleinen Möhre zu unterscheiden und auch in manch anderer Hinsicht waren sich die Damen des Hauses recht ähnlich.
"Das dritte Lebensjahr ist viel angenehmer als das zweite", sprach die Mama von Johanna noch in die erleichterten Gesichter von Ellas Eltern, doch schon bald zeigte Johanna der versammelten Mannschaft, dass auch Dreijährige zu überraschendem Verhalten neigen.

Johhanna schneidet nämlich sehr gerne. Anstatt ins Bett zu gehen, sitzt die Dame dann meditativ auf dem Sofa oder Bett und schneidet ein DinA4-Blatt in etwa 200 kleine Schnipsel. "Ich muss doch noch schneiden", sagt Johanna dann, wenn sie ins Bett soll. Verpflichtungen einer Dreijährigen halt.

Ella fand das alles hochinteressant. Nachdem die Fronten geklärt wurden ("Das ist MEIN Papa, das ist MEINE Mama"), verstanden sich die beiden Mädels ganz prächtig und genossen die Vorzüge eines aufstrebenden Haushalts in Form von hauseigenem Garten mit Schaukel, Rutsche und Sandkiste und einem recht voluminösen Kinderzimmer mit zahlreichen Attraktionen. Tom derweil personifizierte die Vergangenheit und hielt sich die gesamten 39 Stunden, die wir in Dortmund waren, an seinem Plastik-Bagger fest.

Auf den beiden Zugfahrten spielte Ella wieder "süßes Kind". Zunächst einmal wird sie schon auf dem Weg zum Behnhof stets beklatscht, wenn sie ihren roten Koffer zieht. Mama und Papa haben sich schon so sehr an das Bild der reisenden Möhre gewöhnt, dass sie die Komik, die in einem Koffer ziehenden Kleinkind scheinbar steckt, nicht mehr so recht erkennen.

Auf der Hinfahrt dann zeigte Ella neue Bestleistungen im Durchqueren der ICE-Waggons.
Unter Armen durchflitzend und hier und da ein störendes Bein einfach wegstoßend brauchte Ella vom einen Ende der vollbesetzten Waggons zum anderen nur etwa acht Sekunden. Ohne Schuhe.
Mama und Papa keuchten in deutlichem Abstand und unter anerkennenden Blicken der Mitreisenden hinterher.

Wäre Ella ein bisschen größer, so hätte auch die Lichtschranke an den Türen zum Nachbarwaggon die Anwesenheit des ungeduldig wartenden Kindes bemerkt und die Tür geöffnet. So aber hatten Mama und Papa an jeder Tür die dringend notwendige Gelegenheit, Ellas Vorsprung aufzuholen und dann schnaufend die Tür zu öffnen.

Auf der Rückfahrt nach Altona suchte Ella etwa bis Bremen den idealen Schlafplatz im vollbesetzten Abteil.
Sie fand ihn schließlich unter (!) der Sitzbank. Auf dem kargen PVC der Deutschen Bahn schlief Ella dann bis Hamburg-Harburg.

Dort ertönte zur Verwunderung aller Abteilinsassen eine Stimme von unten: "Zug hält an".
Ella war wieder wach und fügte ihrer Serie "Unrealistische erste Sätze nach dem Aufwachen" eine weitere feine Episode an.

Sonntag, September 21, 2008

Warum das Bett nicht mehr piekst

Der Herbst ist da und damit auch die Zeit, in der das Zubettgehen immer mit Geschrei und Gezeter verbunden ist. Doch nicht von Ella ist hier die Rede, sondern von einem anonymen anderen Familienmitglied, dem das eiskalte Bett neben der eiskalten Wand vorkommt wie tausend kleine Nadeln.

Ella selbst ist zur Zeit mit dem Schlafen eng befreundet. Sie schläft morgens zum Teil doch deutlich länger als man das von ihr kennt, muss dann aber bald schon wieder einen ausgiebigen Mittagsschlaf unternehmen, aus welchem sie totmüde erwacht und dementsprechend früh ins Bettchen huscht.

Es ist unwahrscheinlich, dass Ella noch immer ein Schlafdefitzit vom letzten Wochenende aufweist, andererseits war das aktuelle Wochenende für die Möhre keinesfalls weniger aufregend als das letzte.

Zunächst einmal hatte Ellas Kita am Freitag zu. "Wir gucken uns mal das ganze Spielzeug an", sprach Ellas Erzieherin, nachdem sich Ellas Papa nach den Gründen erkundigte.
Und während Ellas Erzieherin also mit Ellas Spielzeug spielte, mimte Oma Münster Ellas Babysitter und ging mit der Möhre Hausschuhe kaufen.

Für die etwa 300 Meter Fußweg zum Laden, den Schuhkauf und die 300 Meter Rückweg brauchte das Gespann insgesamt 2 Stunden, was Ellas Oma durchaus bemerkenswert fand. Ellas Eltern hingegen wussten bereits, dass kleinste Besorgungen durch die Anwesenheit ihrer kleinen Tochter schnell mal einen Vormittag sprengen können.

Am Samstag musste sich Ellas Papa fortbildender Weise mit Brüchen und Bruchzahlen befassen und Mama im Brandenburgischen Grillen. Was also tun mit der Möhre?
Mama nahm sie mit, drückte sie in Berlin Oma und Opa in die Arme und ging grillen. Ella verbrachte zum ersten Mal in ihrem Leben eine Nacht ohne Mama und Papa.

Das Kind war unbeeindruckt. Um 4 Uhr nachts war sie kurz wach und brabbelte "Mama", doch Opas psychologisch geschickt formulierte Aussage "Ella!" hypnotisierte die Möhre und ließ sie prompt wieder in tiefen Schlaf fallen.

Auch am Morgen schien sich Ella der historischen Nacht nicht bewusst. Man stapfte zum Spielzeug, mampfte ein Brot und traf sich dann am Bahnhof irgendwann mit Mama. Hier erst zeigte Ella eine Reaktion auf ihre erste Nacht ohne Eltern: Sie beachtete ihre Mama nicht, wirkte - so die Mama später - eingeschnappt.

Zwischen den Stationen Hamburg Dammtor und Hamburg Altona erkrankte Ella dann spontan. Papa, der sich am Bahnsteig auf ein ihm in die Arme flitzendes Kind freute, bekam ein rotbackiges, säuerlich riechendes Kind entgegen gereicht. Hier und da klebte in Ellas Haar noch das Berliner Butterbrot, das scheinbar mal gucken wollte, wie Hamburg so aussieht und daher wieder nach draußen befördert wurde.

Positiv an der ganzen Sache ist, dass hier für das kranke Kind plötzlich doch schon mal die Heizung angemacht wird. Das Bett und die Wand werden heute nicht wie tausend Nadeln pieken und es wird demnach auch kein Geschrei und Gezeter geben, wenn sich das anonyme Familienmitglied heute schlafen legt.

Montag, September 15, 2008

Das personifierte Schlafdefizit

Schön ist, dass Ella unterm Strich so unkompliziert ist. Je unkomplizierter nämlich das Kind, desto komplizierter kann eine Wochenendplanung sein, ohne dass das Kind streikt.

Da Ort und Zeit einer Hochzeit, auf der die dynamische Kleinfamilie gastierte, eher unkonventioneller Art waren (man hatte sich sonntags in einem brandenburgischen Nest einzufinden), musste Ella einiges ertragen:
Am Freitag brauste sie mit dem Intercity nach Berlin. Ella, die mit ihrem McDonalds-Goodie spielte, bemerkte glücklicher Weise nicht, dass vor ihr die "Hörnerkirchener Landjugend" in Form von sechs Landeiern dem Intercity jeglichen weltmännischen Esprit nahmen. Die unsäglichen Gespräche über Pferde und das geplante Verhalten der Landeier außerhalb ihrer Hörnerkirchener Welt nahm Papa dann allerdings zum Anlass, mit seiner Möhre in den Speisewagen zu fliehen, während Ellas Mama die Flucht ins Schlummerland vorzog.

Im Speisewagen überlegten Papa und Ella, wie sie am klügsten auf die frechen Preise für Bier und Saft reagieren könnten. Zur Stunde jedenfalls lesen ein paar Mitarbeiter der Deutschen Bahn in ein paar Ratgebern nach, wie sie auf die roten Kugelschreiberkritzel auf der schneeweißen Speisewagentischdecke zu reagieren haben. Ella und Papa fanden jedenfalls, dass sie im Recht waren, als Ella mit dem roten Stift hantierte, während Papas Stirn ob der Getränkepreise in Sorgenfalten lag.

In Berlin hatte Ella von Omaopa mal gar nicht viel:
Samstag traf man sich in einem Kreuzberger-Cafe inklusive voluminöser Kinderecke mit Ellas Freundin Flora.
Neben Ella und Flora und einigen anderen sympathischen Kleinstmenschen befand sich auch ein trauriges Beispiel für den antiautoriären Laissez-Faire-Erziehungsstil. Das Beispiel hieß Milla und prügelte sich zwei Stunden durch Spielzeug und andere Kinder, während die antiautoritäre Laissez-Faire-Mutter am Cappucino nuckelte und sich sporadisch bei den anderen Müttern für die von Milla verschuldeten Verletzungen der anderen Kinder entschuldigte.

Anschließend picknickte Ella bei plötzlich sibirischen Temperaturen und übte dabei den Namen von Mietoma Lydia. Noch Tage später hörte man ein Kleinkind im Supermarkt "Üüüülidüka" rufen. Ein scheinbar recht schwer zu intonierender Name...

Am Abend wurde dann Ben besucht. Ella fand Gefallen daran, den 2,40 Meter großen Gastgeber umschubsen zu dürfen.
Pardauz machte es, als Ben über die abgeschliffenen Dielen rumpelte. Ella stand stolz neben dem Verunfallten, den sie zuvor mit einem Fingerstups umstürzte.

Wie also auch schon am Freitag erreichte man am Samstag das Bett sehr spät. Ellas Schlafdefizit schwoll auf bedenkliche Größe an, als man am Sonntag zur besagten Hochzeit reiste.
"Ella mag das nicht Kirche", lautete Ellas Zwischenfazit. Im Anschluss aber genoss sie die eigens
installierte Spielecke und die mit zunehmender Feier immer peinlicher agierenden Erwachsenen.

Wieder erreichte man unfassbar spät das Bett und musste am heutigen Montag unfassbar früh aufstehen. Ella konnte nicht mal mehr umgezogen werden und so stapfte sie mit Schlafanzug, Gummistiefeln und knallrotem Koffer durch das sonst so bürgerliche Lichtenrade.
An ihrem provokanten Aussehen änderte sich auch auf dem Berliner Hauptbahnhof nichts.
Es bleibt abzuwarten, ob es Ella in - sagen wir 13 Jahren - peinlich sein wird, wenn man ihr berichtet, dass sie nur im Schlafanzug bekleidet durch den Berliner Hauptbahnhof rannte.

Derzeit ist ihr Schamgefühl dahingehend noch nicht sonderlich ausgeprägt.
Mittlwerweile hat Ella mittels ausgiebigem Mittagsschlaf ein paar Stündchen Schlafdefizit gutgemacht. Ihre Müdigkeit ist dennoch unübersehbar und äußert sich in übertriebener Fragilität. Mehrfach schon mussten heute Möhrentränen aufgewischt werden.

Das Kind ist - wie die Eltern - total gerädert vom Wochenende und freut sich auf den Haufen Werktage, der vor ihm liegt.

Sonntag, September 07, 2008

Siechtum und Zoo

Was die Woche bringen würde, deutete Ella am Montagmorgen zart an, indem sie in die Küche wankte, sich dort auf die Fliesen legte und mit dem Gesicht nach unten wieder einschlief.

"Hmmm", grübelten da die Eltern, "unsere Möhre ist entweder depressiv oder krank", mit der Folge, dass Ellas Mama ein aus mysteriösen Gründen am Arbeitsplatz schlummerndes Puzzle endlich nach Hause brachte, denn nichts hilft besser gegen Depressionen als ein 24-Teile-Puzzle.
Mit dem guten Gefühl im Bauch, die kleine Maus mal wieder richtig glücklich machen zu können, liefen Ellas Eltern beide in die Kita.
Dort war die Hölle los. Kinder tobten und johlten, spielten und rannten, nur ein Kind hing im Arm der Erzieherin und wollte sich nicht am Gejohle beteiligen. "Sie ist krank", lautete das Fachurteil der Erzieherin. Voilá. Das Puzzle hätte also noch weiter an Mamas Arbeitsplatz schlummern können.

Ella blieb dementsprechend am Dienstag mit Aufsicht Papa zu Hause und verstand es, in diesen Stunden intimsten Beisammenseins ihre Krankheitserreger in einen neuen Wirt (Papa) zu pflanzen, woraufhin dieser von Donnerstag bis Samstag höchstselbst brach lag und daher an drei von vier Arbeitstagen einfach mal zu Hause war.

Doch wie es scheint, hat auch dieser Blog-Eintrag ein Happy-End: Ella schmeißt Viren und Bakterien ohenhin immer nach spätestens 24 Stunden raus und auch Papa nimmt nun wieder am Leben teil.

Dies musste gefeiert werden. Wie jedes Jahr im September zog es die Kleinfamilie in den Zoo. Ella wurde davon beim Frühstück berichtet, woraufhin sie vor Jubelschreien und Lachattacken kaum zum Butterbrotessen kam.

Im Streichelzoo konnte Ella den Vorwurf, sie habe Angst vor Ziegen, verbunden mit auf sie gerichteten Zeigefingern nicht lange auf sich sitzen lassen. Vorausgegangen war ein im Kleintiergehege Haken schlagendes Kind, das in seiner Panik alle anwesenden Eltern, Kinder und Ziegen verrückt machte.
"Ella hat Angst vor Ziegen", hieß es deshalb, woraufhin Ella errötete, sprach "Ella keine Angst Ziegen" und mit entschlossenem Blick das Gehege mit den reißenden Bestien betrat. Ellas Mut wurde nicht belohnt. Ausgewachsene Hamburger Menschen, die anscheinend nicht mit kleinen Kindern im Streichelozoo rechneten, liefen unsere Möhre um, woraufhin diese im Ziegenkot landete.

Ansonsten wichtig: Ella hat sich eine eigene Spezialgrammatik angeeignet. Herzstück dieser Grammatik ist das bislang unbekannte redundante Akkusativobjekt mit semantischer Präzisierung.
Beispielsätze:
Ella mag das nicht, Flugzeuge.
Ella mag das, Milch.
Ella mag das nicht, Clowns.

Inhaltlich lobenswert ist natürlich vor allem der letzte Satz. Für ihren Clown-Hass kann man Ella nur auf die Schulter klopfen. Die Einsicht, dass weiß und rot geschminkte Männer mit Perücken, O-Beinen, bunten Hosenträgern und Luftballons einfach nur dämlich sind, kommt anderen Kindern erst im zweiten Lebensjahrzehnt.
A propos Zahlen: Ella kann schon zählen. Bis Fünf. Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf.