Montag, September 15, 2008

Das personifierte Schlafdefizit

Schön ist, dass Ella unterm Strich so unkompliziert ist. Je unkomplizierter nämlich das Kind, desto komplizierter kann eine Wochenendplanung sein, ohne dass das Kind streikt.

Da Ort und Zeit einer Hochzeit, auf der die dynamische Kleinfamilie gastierte, eher unkonventioneller Art waren (man hatte sich sonntags in einem brandenburgischen Nest einzufinden), musste Ella einiges ertragen:
Am Freitag brauste sie mit dem Intercity nach Berlin. Ella, die mit ihrem McDonalds-Goodie spielte, bemerkte glücklicher Weise nicht, dass vor ihr die "Hörnerkirchener Landjugend" in Form von sechs Landeiern dem Intercity jeglichen weltmännischen Esprit nahmen. Die unsäglichen Gespräche über Pferde und das geplante Verhalten der Landeier außerhalb ihrer Hörnerkirchener Welt nahm Papa dann allerdings zum Anlass, mit seiner Möhre in den Speisewagen zu fliehen, während Ellas Mama die Flucht ins Schlummerland vorzog.

Im Speisewagen überlegten Papa und Ella, wie sie am klügsten auf die frechen Preise für Bier und Saft reagieren könnten. Zur Stunde jedenfalls lesen ein paar Mitarbeiter der Deutschen Bahn in ein paar Ratgebern nach, wie sie auf die roten Kugelschreiberkritzel auf der schneeweißen Speisewagentischdecke zu reagieren haben. Ella und Papa fanden jedenfalls, dass sie im Recht waren, als Ella mit dem roten Stift hantierte, während Papas Stirn ob der Getränkepreise in Sorgenfalten lag.

In Berlin hatte Ella von Omaopa mal gar nicht viel:
Samstag traf man sich in einem Kreuzberger-Cafe inklusive voluminöser Kinderecke mit Ellas Freundin Flora.
Neben Ella und Flora und einigen anderen sympathischen Kleinstmenschen befand sich auch ein trauriges Beispiel für den antiautoriären Laissez-Faire-Erziehungsstil. Das Beispiel hieß Milla und prügelte sich zwei Stunden durch Spielzeug und andere Kinder, während die antiautoritäre Laissez-Faire-Mutter am Cappucino nuckelte und sich sporadisch bei den anderen Müttern für die von Milla verschuldeten Verletzungen der anderen Kinder entschuldigte.

Anschließend picknickte Ella bei plötzlich sibirischen Temperaturen und übte dabei den Namen von Mietoma Lydia. Noch Tage später hörte man ein Kleinkind im Supermarkt "Üüüülidüka" rufen. Ein scheinbar recht schwer zu intonierender Name...

Am Abend wurde dann Ben besucht. Ella fand Gefallen daran, den 2,40 Meter großen Gastgeber umschubsen zu dürfen.
Pardauz machte es, als Ben über die abgeschliffenen Dielen rumpelte. Ella stand stolz neben dem Verunfallten, den sie zuvor mit einem Fingerstups umstürzte.

Wie also auch schon am Freitag erreichte man am Samstag das Bett sehr spät. Ellas Schlafdefizit schwoll auf bedenkliche Größe an, als man am Sonntag zur besagten Hochzeit reiste.
"Ella mag das nicht Kirche", lautete Ellas Zwischenfazit. Im Anschluss aber genoss sie die eigens
installierte Spielecke und die mit zunehmender Feier immer peinlicher agierenden Erwachsenen.

Wieder erreichte man unfassbar spät das Bett und musste am heutigen Montag unfassbar früh aufstehen. Ella konnte nicht mal mehr umgezogen werden und so stapfte sie mit Schlafanzug, Gummistiefeln und knallrotem Koffer durch das sonst so bürgerliche Lichtenrade.
An ihrem provokanten Aussehen änderte sich auch auf dem Berliner Hauptbahnhof nichts.
Es bleibt abzuwarten, ob es Ella in - sagen wir 13 Jahren - peinlich sein wird, wenn man ihr berichtet, dass sie nur im Schlafanzug bekleidet durch den Berliner Hauptbahnhof rannte.

Derzeit ist ihr Schamgefühl dahingehend noch nicht sonderlich ausgeprägt.
Mittlwerweile hat Ella mittels ausgiebigem Mittagsschlaf ein paar Stündchen Schlafdefizit gutgemacht. Ihre Müdigkeit ist dennoch unübersehbar und äußert sich in übertriebener Fragilität. Mehrfach schon mussten heute Möhrentränen aufgewischt werden.

Das Kind ist - wie die Eltern - total gerädert vom Wochenende und freut sich auf den Haufen Werktage, der vor ihm liegt.

1 Comments:

At September 16, 2008 10:24 AM, Anonymous Anonym said...

Den Besuch der kleinen Maus bei mir fand ich sehr erfrischend! Ganz süß war die eindeutige Reaktion auf die Frage, ob sie mit mir ein Buch lesen wolle. Ein so zartes Nicken habe ich lange nicht gesehen.
Man muss eben nur die richtigen Stichworte liefern, dann taut auch Klein-Ella wieder auf :-)
Ich freu mich auf ein Wiedersehen!

 

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