Sonntag, Januar 27, 2008

Wurst-Frust und Ost-Nannys

In der ihr eigenen Unbekümmertheit und Spontaneität hat Ella getan, was prinzipiell für ausgeschlossen galt: Sie hat mit der Leberwurst schluss gemacht.

Monatelang waren Ella und die Fleisch-Schmiere unzertrennlich, monatelang galt fast jeder Schrei der Leberwurst und dann war plötzlich alles aus.

Zu jeder Trennung gehören Außenstehende, die da irgendwie ihre Hände im Spiel hatten. Und so ist die traurige Leberwurst vor allem auf zwei Kollegen sauer:

1) Das Toastbrot. Nachdem Ellas Eltern erfuhren, was Ella in der Kita im Stande ist zu essen, wurde der Brot-Einkauf der dynamischen Kleinfamilie reformiert. Ella soll nicht ständig das leckere, aber nicht so ganz gesunde Weißbrot anstarren und dadurch Heißhunger bekommen. Das schicke weiße Brot war von heute auf morgen weg und seitdem befindet sich hässliches unattraktives Graubrot und Körnerbrot im Korb. Kein Weißbrot, kein Interesse an Leberwurstbrot. Wurst sauer!

2) Die Cornflakes. Ella, der deutschen Sprache noch nicht ausreichend mächtig, um auch nur ein paar Wörter, die über "Mama" oder neuerdings auch mal "Papa" hinausgehen, zu sprechen, weiß schon von ein paar schwierigen fremdsprachlichen Begriffen. "Skateboard" beispielsweise ist Ella durchaus bekannt, da in ihrem Lieblingsbuch ein Tiger auf einem Skateboard fährt und schon auf der Folgeseite schwer verunfallt, was Ella mit einem ohrenbetäubenden "Aua" kommentiert. Das daneben liegende Skateboard wird fehlerfrei gezeigt, wenn Ella danach gefragt wird. Das zweite englische Wort lautet "Cornflakes".
Diese sind mittlerweile Ellas liebstes Frühstück, Ellas Leibspeise zum Mittag, das einzig akzeptierte Abendbrot und immer willkommene Zwischenmahlzeit.

Dies geht so weit, dass Ella, gerade aus der Kita nach Hause gekommen, noch in Schal, Jacke und Straßenschuh in die Küche flitzt, eine Porzellanschüssel aus dem Schrank fischt, dann die Cornflakes-Packung greift, anschließend den Papa zum Kühlschrank zerrt und so mit der Milch die fehlende Zutat erhält.

Viel Zeit ist nicht zu verlieren. Rund 90 Sekunden nach Betreten der Wohnung ist Ella daher in der Regel bereits am Speisen. Dann erst zieht Papa seine Winterklamotten aus.

Die Leberwurst, um auf dieses traurige, verlassene Lebensmittel zurückzukommen, liegt seither unbeachtet im Kühlschrank.
Ella interessiert's nicht mehr, Mama freut sich über die fehlende Wagenladung tierisches Fett, die Ella tagtäglich verschlang und Papa freut sich darüber, dass er die übelriechende Kadaver-Pasta nicht mehr an seinen Fingern zu kleben hat.

Schön ist's jetzt in unserer Küche, in der jetzt überall halberbrochene Flakes kleben und hier und da eine aussortierte Rosine oder Kokosflocke den Boden säumt.

Am Wochenende kam wieder mal Besuch. Ella schloss schnell Freundschaft mit den drei Gestalten aus Berlin, ließ sich ihre Bücher vorlesen, schrie immer laut "aua", als der Tiger vom Skateboard glitt und wurde - wenn wir es richtig verstanden haben - als ein Kind bezeichnet, das seine Eltern vollkommen im Griff hat.

Auch wenn der Besuch recht geduldig Ellas Spielchen zu ertragen versuchte, schienen doch Erziehungsstile aufeinanderzuprallen: "Hömm", bettelte Ella und was sprach der Besuch (Ostberlin)? "Dit Buch ha ick dir schon vorjelesen", "Hu?" bettelte Ella ein anderes Mal und da hieß es vom Besuch (Brandenburg) "wenn de nisch sprichst, jibs nüscht." - Knallharte Erziehung aus Ostdeutschland. War doch nicht alles schlecht...

1 Comments:

At Januar 27, 2008 8:31 PM, Anonymous Anonym said...

Wobei es allerdings schwer ist, sich Ellas charmantem Diktat zu entziehen, wenn sie einem mit lang ausgestrecktem Zeigefinger einen Platz zuweist, sich gegenüber hinsetzt und ultimativ zum Bilderbuchblättern auffordert.
Und am Ende des Buches das obligatorische 'maaal", was soviel wie 'noch einmal von vorne bitte' bedeutet :-)

 

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