Sonntag, Juni 08, 2008

Nur dreimal kurz vorm Krankenhaus

Es ist Sonntag, 20.00 Uhr.
Ella liegt seit 15 Minuten im Bett und schläft, während die Nation sich auf das erste Spiel der deutschen Mannschaft bei der Euro einstimmt.
"Bei der WM 2010 darft du alle deutschen Spiele gucken", versprach Mama der müden Ella, welche in ihrem Bette saß und sich auf 2010 freute.

Gestern hat Ella das EM-Fieber schon miterlebt. Bei eher langweiligem Eröffnungsgekicke stellte sie eine echte Alternative zur Großbildleinwand beim Altonaer Public-Viewing dar. Zumindest der eine Typ von der Security war sichtlich dankbar darüber, dass die Masse, der er gegenüberstand und die er in irgendeiner Weise zu beaufsichtigen hatte, ein Individuum enthielt, welches nicht apathisch auf die Leinwand starrte, sondern Haken schlagend durch die Menge flitzte und seine Leidenschaft für Absperrgitter und blecherne Eingangsbereiche auslebte.

Ella war auf dem Fan-Fest jedenfalls gut unterwegs und wusste mit unterm Strich ja noch spärlichem Wortschatz zu petzen, dass Mama Panini-Bildchen sammelt.
Wie das?

Seit Ellas Bauernhofbesuch ist es ein lieb gewonnenes Ritual, dass Papa seiner Möhre immer Panini-Tütchen in die Hand drückt. Ella flitzt daraufhin zur Mama und überreicht ihr die milde Gabe. Mama klebt dann die Bilder in das Panini-Heft, dass Ella jedoch "Buch" nennt. Auf diesem "Buch" ist groß sichtbar das Logo der Europameisterschaft abgebildet. Ein schimmeliger Ball vor einer Art Alpen-Silhoutte.

Dieses Logo - und das ist zur Zeit das, was Ella am meisten beschäftigt - flattert nun ständig ins Bild. Auf der Großbildleinwand, im Fernseher, überall ist plötzlich Mamas Buch. Und das muss der Umwelt berichtet werden.
Wir denken uns also noch einmal zurück zum Public-Viewing nach Altona, wo man eher weniger leidenschaftlich, dafür umso mehr entspannt vor der Leinwand saß. FLUBSCH - das Logo gleitet ins Bild. "Mama Buuuuuuuch" schreit ein Kind. Jedesmal. Nordisch dezent schmunzelten die Hamburger nach innen...

Zuvor war Papa zwei Tage lang auf Klassenfahrt und ließ daher seine Mädels alleine. Die erlebten Zeiten voll Licht und Schatten.
Schattig war wohl - so Ellas Mama - der freitägliche Heimweg von Ellas Kita. Hier schraubte sich Ella mitten auf einer Hauptverkehrsachse an allen Sicherheitsvorkehrungen vorbei und war stark suizidgefährdet. Mama hatte erst Stress und dann hatte Ella Ärger.

Ella versteht jetzt auch, wenn sie ausgeschimpft wird. Es gab hier ja mal einen Eintrag, der besagte, dass unser Kind immer lachen muss, wenn es Schimpfe kriegt. Das ist lange vorbei. Wenn Ella von ihren Eltern mal lang gemacht wird, dann steht sie immer ganz traurig da, schaut in etwa im 25°-Winkel gen Boden, wird ein wenig blass und guckt dann einfach immer so süß, dass der Ärger auch nicht lange anhält.

Heute war ein schöner Tag. Spielplatz, Eis und lediglich drei Situationen, in denen Ella kurz vorm Krankenhausbesuch war: Hier griff man nach einem Medikament für Erwachsene, dort an den heißen Topf, zuletzt stürzte unter der Möhre der Wickeltisch ein.

Letzteres war mit körperlichem Schmerz nicht verbunden, aber Ella war danach besudelt. Zum Glück ist Ella derzeit in einer Phase, in der sie Exkremente nicht spannend findet. So konnte sie richtig erwachsen auf ihren verschmierten Körper reagieren - mit purem Ekel und abgrundtiefer Panik.
Man nahm im Anschluss dankbar ein Bad, während Österreich einen Ball nach dem anderen in den Himmel schoss.