Im Zeichen des Papageien
Eine winzige neue Angewohnheit unserer Möhre macht uns das Reisen etwas beschwerlich: Ella sieht sich nämlich seit Freitag verantwortlich dafür, den schweren Koffer von Mama und Papa zu ziehen. In einem atemberaubend spitzen Winkel sah man daher den im Übrigen alles andere als leichten Koffer durch Berlin und Hamburg gezogen werden. Davor ächzte ein stolzes Kleinkind unter der Last; die dabeistehenden Eltern versuchten derweil durch Gestik und Mimik zu verdeutlichen, dass hier nicht etwa ein Kind gequält, sondern einem Kind sein unbegreiflicher Wille gelassen wird.
Ella war also mal wieder unterwegs. Besucht wurde Flora, Ellas neue Freundin aus Berlin. Die beiden Damen verstanden sich unterm Strich recht gut. Spielzeug wurde zunächst brüderlich geteilt, später aber auch aufs Blut verteidigt; es wurde zusammen gebadet und gepicknickt. Man aß zusammen ein Eis (Ein Unterfangen, nach welchem Ella erstaunlicherweise praktisch gar nicht bekleckert war, während Flora unter einem Schmierfilm aus Eis und Spielplatzsand kaum noch auszumachen war).
Vor allem aber stand das Wochenende für beide im Zeichen des Papageien. Interessant wird es, wenn man die zusätzliche Information streut, dass eigentlich kein Papagei irgendeine Rolle gespielt hat.
Was war passiert?
In Berlin gibt es die Hasenheide. In der Hasenheide gibt es einen Käfig, in welchem Pfaue hausen. Diese Pfaue waren a) nur zu hören, nicht zu sehen und werden b) von der Gastgeberin Flora konsequent "Papagei" genannt, was bei Flora allerdings "bageiiii" heißt.
Ella spielte nun ihre ganze Souveränität aus. Man ist ja schließlich älter. Aufregend fand sie den nicht sichtbaren und falsch titulierten Pfau allerdings auch und so stand sie ebenfalls am Käfig und sprach in klarstem Deutsch "Papagei!"
Es ist schwer zu sagen, ob die Komik der Situation über das sperrige Internet-Medium transportiert werden kann, aber man raffe seine Phantasie zusammen und stelle sich einen eigentlich leeren Pfauen-Käfig vor, vor dem zwei Kinder stehen. Das eine Kind liefert die biologische Fehldeutung "Bageiiiiii" und das zweite korrigiert lediglich sprachlich "Papagei!"
Noch lange nach diesem Käfig-Erlebnis hörte man den "Bageiii - Papagei"-Dialog.
Schlimm ist, dass am Tag danach, als sich Ella mit ihrer Berliner Verwandtschaft traf, auch Ellas Papa in diesen Papageien-Wahn hineingezogen wurde:
Nach zwei Stunden nur mit Oma und Konsorten betrat Papa die Szenerie.
"Guck mal, Ella. Papa kommt!"
"Papa-GEI", brüllte Ella, die in der nächsten Woche wohl erstmal lernen muss, was ein Papagei ist, was ein Pfau ist, und was ein Papa ist.
Schnell noch Informationen zum Rückweg nach Hamburg.
Kuschelige Temperaturen in der überfüllten Bahn, im Anschluss ein Heimweg, bei welchem Ella das Ziehen des Koffers übernahm. Heikel wurde es an den Ampeln. Ella war nämlich körperlich schon lange nicht mehr in der Verfassung, die fünf Meter breite Straße innerhalb der 90sekündigen Grünphase zu überqueren. So musste Mama nachhelfen.
Mama sprach: "Ich nehm' mal eben den Koffer, Ella." und trug den Koffer über die Straße.
Am Koffergriff hing, baumelnd, das Kind, und wurde somit ebenfalls über die Straße getragen.
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