Sonntag, November 04, 2007

Ende der Stuhl-Krise

Zu allem Überfluss bekam Papa auch noch Ärger: Der Blog-Eintrag der letzten Woche sei nun wirklich misslungen, sprach die Mama streng.
Dabei glich es einem Wunder, dass Papa nur Minuten nach Ellas Sturz in die Tiefe überhaupt den ein oder anderen Buchstaben auf der Tastatur traf.

Ein kluges Wort lautet "Es muss immer erst ein Kind in den Brunnen fallen, ehe etwas passiert." Und auch wenn unser Brunnen ein Wäschekorb war - das Kind fiel. Und es passierte etwas. Sieben Tage lang hielt Altonaer Stuhl-Krise die Medien in Atem.

Ella probierte in der Krisenzeit zwei neue Stuhlkonstruktionen aus, vermisste aber ihren tollen Hochstuhl. Papa wich jedoch nicht vom Hausverbot des Hochstuhls ab. Stets fielen Worte wie "Lebensgefahr" und "Verantwortungslosigkeit", während die Zornes- und Sorgenfalten zu echten Furchen anschwollen. Lange Recherche im Internet brachte die simple Lösung der Krise: Anschnallen.

Es widerspricht zwar dem zarten Laissez-faire-Stil der Mutter und der sozialdemokratischen Grundordnung, die diese ihrem Kinde vermitteln will, doch die Zornesfurche des Gatten war beeindruckend genug, als dass Ella künftig zwar angegurtet, dafür aber wieder in ihrem heißgeliebten Stuhl die Mahlzeiten mit weit geöffneten Munde in Empfang nehmen wird. Große Koalition könnte man das nennen - Schäubles Geist weht durch unsere Küche und raunt: Anschnallen! Schluss mit Lässigkeit beim Frühstück!

Ella war diese Woche im Übrigen auf Geschäftsreise. Während die Mama sich im guten alten Moabit fortbilden ließ, bildete Ella ein paar Kilometer südlich ihre Oma und ihren Miet-Opa in der Disziplin "Kleinkind-Verwöhnen" aus. Alle Beteiligten hatten ihren Spaß. Ella erschlich die ein oder andere Zwischenmahlzeit, was die Oma zu folgenden denkwürdigen Grüßen aus Berlin trieb: "Sie weiß jetzt, wo die Kekse sind. Wir wissen uns nicht mehr zu helfen", "Sie sitzt im Wagen und bewacht ihre Kekstüte" - "Oha", dachte der Papa am anderen Ende des Hörers.

Wieder zurück wurde die Kita gewarnt: "Ella war drei Tage lang bei der Oma" - "Au weia", hieß es aus Erziehermund am Morgen und "Das haben wir gemerkt", am Nachmittag. "Die Ella", urteilte man in der Kita weiter, "ist ja eigentlich ein ganz unkompliziertes Kind - aber wenn etwas nicht so läuft, wie sie will, dann neigt sie zu ganz erstaunlichen Wutausbrüchen. Das muss sie vererbt bekommen haben."
Papa nahm in der Kita alle Schuld auf sich, wusste aber insgeheim, dass sein Genom frei ist vom Drang, sich bei Ungunst und Missfallen auf den Boden zu werfen und zu schreien. Und wenn Genom und Gnom Unterschiede aufweisen, dann war es wohl das Genom des anderen Elternteils.

Ella schweigt zwar immer noch, aber sie versteht es immer mehr, ihre Vorstellungen vom Leben zu äußern. Mit kompliziertesten Bewegungen des Hinterteils signalisiert sie beispielsweise die Lust, auf dem Schoß sitzen zu wollen. Und dass sie ständig essen will, macht sie auch stets deutlich, Da reicht aber auch ein Blick auf die Fotos des heutigen Eintrages.

In diesem Zusammenhang arbeitet sie weiter fleißig an der Schock-Therapie von Papas Emetophobie. Heute morgen steckte sie sich ihr Leberwurstbrot so tief in den Hals, dass sich ein Schwall Mageninhaltes mittlerer Stärke auf ihren Teller ergoss. Am Abend - als Papa, der eben noch mit seiner kleinen Maus badete, noch in der warmen Wanne saß - erbrach sich Ella ganz spontan und ohne Vorwarnung in der Küche. "Eine echte Erwachsenenportion", jammerte die wischende Mutter. Ella kicherte und wurde zurück in die Wanne gestopft, wo der Papa sich nach den Körperteilen erkundigte, die von den "Pommes-Wurstpüree an Magensäure vom Kleinkind" ganz besonders benetzt wurden.