Montag, Juli 30, 2007

Frei vom Diminutiv, voll mit Brot

Keine zwei Wochen, bevor aus Ella mittels Ja-Wort ein eheliches Kind wird, mit dem man dann auch mal in die katholisch geprägten Regionen der Republik reisen kann, sich auch im westfälischen Münster aus den Vierwänden der Oma und der Ur-Oma hinaus trauen kann, ohne Beschimpfungen riskieren zu müssen; keine zwei Wochen also, bevor Ellas Eltern selbst heiraten, war die dynamische Kleinfamilie mal wieder Gast einer Hochzeit.

Man betrachtete die Veranstaltung der Eheleute Wansel als eine Art Generalprobe für die eigen bevorstehende Familienbildungsfeier. Dass Ellas Eltern diese nahende Feier zwar lädiert, aber doch irgendwie überstehen werden, steht nicht zur Diskussion. Die Frage ist vielmehr: Wie wird unsere kleine Möhre mit diesem Tag zurecht kommen? Mag sie Buffets? Mag sie angetrunkene Krawatten- und Kostümträger, die sich zum mehr oder weniger glücklichen Händchen des DJs ebenfalls mehr oder weniger glücklich bewegen? Mag sie Feiern, die nicht um 22.00 Uhr enden, sondern später?

Ella fand sich zunächst in recht ungewohnter Rolle als ältester Zwerg auf der Hochzeit wieder. Die Konkurrenzkinder hingen alle noch mehr oder weniger schlaff in den Armen der jeweils stolzen Eltern herum, wobei wir schon an dieser Stelle andeuten dürfen, dass Ella in puncto Partytauglichkeit glatt geschlagen wurde.

Ella aber zeigte den Frisch-Eltern allseits schon mal, was auf selbige zukommt: Ein Kind, welches, stellt man es mit den Füßen auf den Boden, losflitzt wie der Blitz. Hakenschlagend, taumelnd und pfeilschnell sauste Ella durch den Festsaal. Zuvor jedoch gab es Brot.

"Oha, eine Brotankdote. Hier scrollen wir schnell runter, um Langeweile zu vermeiden", denkt da manch Leser - doch halt. Diese Brotanekdote hat es in sich:

Ella bekam just in dem Moment schlechte Laune, als das Ehepaar jeden einzelnen Gast in einer schwungvollen Rede begrüßte. Daher wurde so manch Gast mit einem wütenden Schrei bedacht, was bei sensiblen Gemütern schon zu einer kleinen Persönlichkeitskrise führen kann.
Brautpaar: "Hier sitzt nun xy"
Ella: "Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhh. Öööööööööeeeyyyyyy. Iiiiiieeeh."
Gast xy (sensibel): *schluck*
Ellas Wut richtete sich selbstverständlcih nicht gegen irgendwelche Bekannten des Ehepaares, sondern gegen das Hungergefühl in ihrem Mäglein, das am Ende dieses Blogs nicht mehr als Mäglein, sondern ganz frei vom Diminutiv schlicht als Magen bezeichnet werden soll.

Ellas Mama rannte zum noch nicht eröffneten Buffet und griff zwei Scheiben Baguette. Das eben noch schreiende Kind schlang sie herunter. Nach dem letzten Bissen schrie es wieder. Mama rannte, holte Brot, Ella (fr)aß, schrie im Anschluss, Papa rannte, holte Brot (währenddessen lauschte der Rest dem Brautpaare). So ging das weiter, bis Ella zur Verwunderung des gesamten Tisches 10 Scheiben Baguette fraß und sich der zu komplizierten Fragen neigende Sitznachbar von Ellas Papa zur Frage hinreißen ließ: "Wieviel Prozent Kalorieen isst so ein Kind eigentlich im Bezug auf sein Eigengewicht mehr als ein Erwachsener?"
Ella kämpfte sich nach Buffet-Eröffnung dann durch selbiges und ließ den neugierigen Kalorienprozentzähler am Tisch so selber annäherungsweise zu einer erstaunlichen Antwort finden.

Irgendwann mitten im Disco-Sound klappten Ellas Augenlider hinunter. Erst beim Pseudo-Rock von Bryan Adams wurde sie wach und zwang ihre Eltern zur Heimfahrt. Die Generalprobe zur Hochzeit der eigenen Eltern galt damit als knapp bestanden. In zwei Wochen muss Ella halt nur 5 Stunden länger durchhalten. So zum Beispiel wie Party-Queen Fien, die Ella zum ersten Mal kennenlernte. Fien hatte noch großäugig und lachend Spaß, als Ella schon von Bananen und Baguettebrot träumte.

Nach überstandener Feier genoss Ella noch ein wenig Berlin. TeBe siegte gegen Sansibar. Ella hatte eine Halbzeit lang gute und eine Halbzeit lang schlechte Laune. Die Oma freute sich über die Komplettierung der Enkelschar und führte ihre kleine Möhre zum Abschluss in ein Einkaufszentrum, das mit güldenen Aufzügen und beanzugten Klomännern (mit Fliege und "Sehr wohl gnä' Frau") eher ins vornehme Hamburg denn ins proletarische Berlin passte.

Egal: Auch hier schmeckte Ella mal wieder alles, und das oft und dann viel.