Das Lied mit der Möhre

Ich saß nichtsahnend am PC, als Ellas Mutter stolz ins Zimmer trat und mir etwas an ihrem Finger zeigte. "Was ist das?", fragte sie forsch.
Ich ahnte die Antwort, wollte aber, dass diese nicht wahr sei und sagte deshalb nervös "Keine Ahnung". "Dies ist der Popel aus Ellas Nase." - Wohlgemerkt sagte sie "der Popel" - nicht "ein Popel". Der Popel ist halt nicht irgendein Popel, denn er nahm, als ich am frühen Morgen ins Gesicht meiner Tochter sah, ihr gesamtes Nasenloch ein.
Gut, Ellas Nasenloch ist nicht groß. Der Popel, den es freigab, war es dagegen schon. Ich will nicht übertreiben, aber würde man die Ausmaße dieses kleinen Brockens auf einen erwachsenen Menschen hochrechnen, dann hätte sich jener bemitleidenswerte Erwachsene etwas aus der Nase geholt, das gut und gerne 45cm im Durchmesser betragen würde...
Dieses kleine Rechenspiel soll nur mal verdeutlichen, wie doll die Nase der kleinen Ella heute Nacht zu war, wie doll sie deswegen weinen musste und wie leid uns die Maus deswegen tut.

Der Kinderwagen, dessen rechtes Vorderrad seit gestern ein wenig bockt, hat nun kräftige Konkurrenz bekommen: Ella ging nämlich heute erstmals im Tragetuch außer Haus. Sie hing zwar noch etwas unförmig da drin herum, aber die dynamische Kleinfamilie wird schon bald gekonnt mit dem Tragetuch umgehen können und dann hängt Ella auch nicht mehr wie ein Schluck Wasser im Tuch, sondern sitzt aufrecht wie eine Eins.

Heute sind wir endlich dazu gekommen, die Wickelecke, die Ella immer mit abwertenden Gesten wie Weinen und Schreien niedermacht, ein wenig aufzupeppen. Wir klebten ein kitschiges "Ich hab dich soooo lieb"-Poster auf exakt die Fliesen, die Ella schon so oft sehen musste, und die ohne Kitsch-Poster so blöd sind, dass Ella weinen muss.
Und siehe da: Ella hat die Veränderung bemerkt und vor lauter "Ich hab dich sooooo lieb"-Lesen ganz vergessen, dass sie beim Wickeln ja eigentlich weinen muss.

Mama lief heute übrigens zu poetischen Meisterleistungen auf, indem sie den Smash-Hit überhaupt dichtete, der Ella heute schon ungefähr 100 mal vorgesungen wurde. Dieser Song erfüllt alles, was ein Kinderlied ausmacht. Beim Singen kann man nämlich wunderbar im Gesicht an den entsprechenden Stellen rumdrücken bis es quietscht. Ella hatte Spaß.

Und hier der Text:
"Ich kenn eine Mutter,
die hat eine Ella.
Mit Augen und Ohren und Nase und Mund.
Die Augen zum Gucken, die Ohren zum Hör'n,
die Nase zum Riechen, der Mund kriegt die Möhr'n"

Obwohl Ella noch nie im Leben eine Möhre gegessen hat, schmeißt sie sich weg vor Vergnügen, wenn ihr von diesem Gemüse vorgesungen wird. Singt man das Lied jedoch zu häufig, schlägt Ellas Laune auch mal gerne blitzschnell in Wut um. Da muss man halt den richtigen Zeitpunkt erkennen und die Kleine in Ruhe lassen.